Wertermittlung nach dem Ertragswertverfahren: Ein Beispiel
Dieser Beitrag wurde zuletzt am 2. Juni 2023 aktualisiert.
Oft bekomme ich Anfragen nach Beispielen wie genau man mit dem Ertragswertverfahren den Wert einer Immobilie schätzen kann. In diesem Artikel möchte ich dir daher an einem konkreten Beispielobjekt zeigen, wie du das Ertragswertverfahren in der Realität anwendest und dir am Beispiel die Frage „wie berechnet man den Ertragswert?“ beantworten.
Der Übersichtlichkeit halber, findest du auf dieser Seite nur das Rechenbeispiel um den Ertragswert zu berechnen. Wenn du mehr über das Ertragswertverfahren selbst lernen möchtest, empfehle ich dir vorher den Artikel „Was ist das Ertragswertverfahren und wie hilft es mir den Wert von Immobilien zu berechnen?“ zu lesen. Falls du schon weißt wie man das Ertragswertverfahren benutzt und einfach nur einen kostenlosen Online-Rechner benötigst, dann schaue dir am besten direkt den Immoprentice 5 Sekunden Ertragswert Rechner an.
Hinweis: Wenn du einen Überblick über sämtliche Ressourcen rund um das Thema Ertragswertverfahren auf Immoprentice haben möchtest, schaue dir auch den Immoprentice Ertragswertverfahren Hub an. Dort habe ich alle Ressourcen rund um das Ertragswertverfahren zentral gesammelt.
Das solltest du wissen: FAQs
Die wichtigsten und häufigsten FAQs zum Thema als schneller Frage-Antwort-Block:
Schritt 1: Übersicht
Bevor wir das Rechenbeispiel beginnen, lass’ uns noch einmal schauen wie wir den Ertragswert einer Immobilie berechnen. Im folgenden Schaubild ist die Herleitung des Wertes einer Immobilie nach dem Ertragswertverfahren schematisch dargestellt.
So, nun lass’ uns aber mit dem Beispiel starten!
Schritt 2: Die Basisdaten
Lass’ uns für das Beispiel annehmen, dass du den Ertragswert einer 70qm großen Wohnung in München berechnen möchtest. Die Wohnung steht in einer großen WEG wo du 7/1000 der Anteile (MEAs) hältst. Gemeinschaftlich gehören der gesamten WEG 10.000qm Grund und Boden.
Wohnungsgröße | 70 qm |
MEAs | 10/1000 |
Grund und Boden | 7.000 qm |
Dein Anteil | 70 qm |
Um mehr zum Thema Miteigentumsanteile (MEAs) zu erfahren, wie diese sich auf deinen Anteil am Grund und Boden auswirken, und wie du berechnen kannst wie groß dein Anteil am gemeinschaftlichen Grund und Boden innerhalb einer WEG ist, empfehle ich dir den Artikel „Was ist ein Miteigentumsanteil?„. Für eine gegebene Immobilie kannst du deinen Anteil am Grund und Boden auch schnell und einfach mit dem Immoprentice 5 Sekunden Miteigentumsanteil Grundstück Rechner berechnen.
Schritt 3: Der Bodenwert
Wie du im Schaubild oben gesehen hast, setzt sich der finale Verkehrswert der Immobilie beim Ertragswertverfahren aus dem Ertragswert der Wohnung und dem Bodenwert des Grundstücks zusammen. In diesem Schritt ermitteln wir daher den Wert des Grund und Bodens den du mit deiner Immobilie mit erwirbst. Wichtig: Falls du eine Erbbau-Immobilie kaufst, ist dieser Wert 0, da du keinen Grund und Boden mit erworben hast.
Den Bodenwert kannst du über Bodenrichtwert-Gutachterausschüsse in den jeweiligen Bundesländern herausfinden. In den meisten Bundesländern ist dieser Dienst kostenlos. Such‘ am besten per Google nach „BORIS + Bundesland“, also zum Beispiel „BORIS Hessen“ um die Bodenrichtwerte von Hessen abzurufen. Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wie man Bodenrichtwertkarten liest, empfehle ich dir die Artikel unter „Bodenrichtwerte„. Hier zeige ich dir am Beispiel der Bodenrichtwertsysteme von Berlin und Brandenburg wie du Bodenrichtwertkarten liest.
Die Schritte aus diesem Artikel gibt’s auch als Kurzvideo auf dem Immoprentice YouTube-Kanal:
Bayern gehört leider zu den wenigen Bundesländern wo dieser Dienst nicht kostenlos ist. Da ich die Bodenrichtwerte in München jedoch kenne, kann ich dir sagen, dass der Boden auf dem die Immobilie steht einen Bodenrichtwert von 2.000€/qm hat. Berechnen wir das ganze, kommen wir auf folgende Zahlen:
Grundstücksanteil | 70qm |
Bodenrichtwert | 2000€/qm |
Wert Grund und Boden | 140.000 € |
Allein der Grund und Boden den wir mit der Immobilie mit erwerben hat in unserem Beispiel also schon einen Wert von 140.000€. Nachdem wir das nun haben, kommen wir jetzt zum Ertragswert der Immobilie selbst.
Schritt 4: Jahresrohertrag der Immobilie
Der Jahresrohertrag der Immobilie ist die Summe aller jährlichen Mietzahlungen die durch die Immobilie bei dir auf dem Konto eingehen. In diesem Beispiel gehen wir davon aus, dass wir eine Jahresnettowarmmiete von 18.000€ für diese Beispielwohnung bekommen. Dies würde einer Warmmiete von 1.5000€ pro Monat entsprechen. Das klingt vielleicht viel, aber Preise von 20€/qm sind in München keine Seltenheit.
Jahresrohertrag | 18.000 € |
Schritt 5: Die Bewirtschaftungskosten
Die Bewirtschaftungskosten sind alle Kosten die anfallen, um den Betrieb der Immobilie zu gewährleisten. In diese Kategorie fallen also alle Kosten die nötig sind, um den Betrag aus Schritt (4) auch in Zukunft weiter zu erwirtschaften. Hierunter fallen also sowohl Verwaltungskosten und die Kosten für die Instandhaltung der Immobilie, aber auch Kosten für den Hausmeister, die Gartenpflege oder Strom- und Wasserkosten.
Da wir in Schritt (4) mit der Bruttowarmmiete gerechnet haben, können wir in diesem Schritt nun das komplette Hausgeld als Bewirtschaftungskosten abziehen. Hätten wir in Schritt (4) nur die Nettokaltmiete angesetzt, hätten wir bei den Bewirtschaftungskosten nun entsprechend nur die nicht-umlagefähigen Kosten abziehen dürfen.
Lass uns für dieses Beispiel davon ausgehen, dass du für die Wohnung ein Hausgeld von 300€ pro Monat zahlen musst, was jährlichen Bewirtschaftungskosten von 3600€ entspricht.
Bewirtschaftungskosten | 3.600 € |
Schritt 6: Reinertrag Immobilie+Grundstück
Um den Reinertrag der Immobilie zu ermitteln, müssen wir nun die Bewirtschaftungskosten vom Rohertrag der Immobilie abziehen. Damit erhalten wir den Reinertrag, den die Immobilie unter dem Strich für uns erwirtschaftet. In unserem Beispiel sind dies 14.400€. Stellen wir uns die Immobilie als ein kleines Unternehmen vor, entspricht der Reinertrag der Immobilie dem Gewinn (vor Steuern und Abschreibungen) den das Unternehmen erwirtschaftet.
Jahresrohertrag | 18.000 € |
Bewirtschaftungskosten | – 3.600 € |
Reinertrag | 14.400 € |
Schritt 7: Verzinsung Bodenwert
Auch wenn es nicht explizit im Mietvertrag steht: wenn wir eine Wohnung vermieten, vermieten wir das Grundstück, auf dem die Wohnung steht mit. Der Mieter hat das Recht das Grundstück zu benutzen, und wir können es nicht anderweitig vermieten. Der Mietzins den wir von unserem Mieter bekommen ist ein Mietzins nicht nur für die Wohnung, sondern für die Wohnung und das Grundstück.
Aber auch unbebaute Grundstücke können vermietet werden. Um den Ertrag der Immobilie auf die beiden Bereiche „Wohnung“ und „Grundstück“ aufzuteilen, müssen wir wissen, wie viel „Miete“ wir bekämen, wenn wir nur das Grundstück allein, ohne Wohnung vermieten würden.
Diese Unterscheidung ist wichtig, da der Ertrag der Immobilie, auch wenn wir sie pflegen, nicht ewig bleiben wird. Irgendwann einmal wird das Gebäude derart abgenutzt sein, dass wir es nicht mehr vermieten können. Der Grund und Boden unterliegt aber keinem solchen „Verschleiß“. Diese Unterscheidung ist übrigens auch der Grund, warum du steuerlich immer nur den Wert des Gebäudes, aber nie den gesamten Kaufpreis über die Abschreibung für Abnutzung (AfA) steuerlich geltend machen kannst.
Für die Verzinsung des Bodenwertes gibt es, wie beim Bodenrichtwert, Gutachter, die je nach Region die durchschnittliche Verzinsung, den sogenannten Liegenschaftszins, bestimmen. Für unser Rechenbeispiel können wir davon ausgehen, dass wir einen Liegenschaftszins von 5% bekämen, wenn wir ein Grundstück, auf dem ein Mehrfamilienhaus steht, verpachten würden. Mit dem vorher errechneten Bodenwert von 140.000€, ergibt sich somit:
Reinertrag | 14.400 € |
Liegenschaftszins (5% * 140.000€) | -7.000 € |
Gebäudereinertrag | 5.600 € |
Der tatsächliche Reinertrag durch das Gebäude beträgt also nur 5.600€. Tatsächlich entfällt über 50% des Ertrages in diesem Beispiel auf den Grund und Boden. Dieses Beispiel ist sicherlich sehr extrem, da wir davon ausgegangen sind, dass die Immobilie in München steht. Würden wir dasselbe Beispiel mit einer Immobilie in einem ländlichen Gebiet in Ostdeutschland machen, kämen wir auf eine genau entgegengesetzte Verteilung.
Schritt 8: Restnutzungsdauer
Die Restnutzungsdauer gibt an, wie lange du eine Immobilie noch wirtschaftlich nutzen kannst. Für dieses Beispiel gehe ich davon aus, dass die Immobilie gut gepflegt und verwaltet wird und wir sie daher noch 50 Jahre nutzen können.
Restnutzungsdauer | 50 Jahre |
Schritt 9: Vervielfältiger
Der Vervielfältiger ist das Ergebnis einer komplexen Formel aus Restnutzungsdauer und Liegenschaftszins der Immobilie. Je höher die Restnutzungsdauer der Immobilie und je niedriger der Liegenschaftszins, desto höher ist auch der Vervielfältiger. Den Vervielfältiger für deine Immobilie, kannst du mit dem untenstehenden Online-Rechner sehr einfach ermitteln.
In unserem Beispiel, wo wir eine Restnutzungsdauer von 50 Jahren und einen Liegenschaftszins von 5% angenommen haben, liegt der Vervielfältiger, gemäß dem Online-Rechner bei 18,3.
Vervielfältiger | 18,3 |
Diesen Vervielfältiger-Rechner findest du natürlich auch im „Tools„-Bereich und unter „Immoprentice 5 Sekunden Vervielfältiger Rechner für Ertragswertverfahren„.
Schritt 10: Ertragswert Gebäude
Jetzt haben wir endlich alles beisammen, um den Ertragswert des Gebäudes zu berechnen. Hierzu multiplizieren wir den Gebäudereinertrag mit dem Vervielfältiger. Das Ergebnis ist der Ertragswert des Gebäude. In unserem Fall also 135.420€.
Gebäudereinertrag | 7.400 € |
Vervielfältiger | 18,3 |
Ertragswert Gebäude | 135.420 € |
Das Gebäude hat, nach dem Ertrag den es als Investment für uns generiert, einen Wert von 135.420€. Würden wir davon ausgehen, dass wir das Gebäude nur noch 30 Jahre nutzen können, wäre der Vervielfältiger niedriger und entsprechend auch der Gebäudeertragswert. Bei einer Restnutzungsdauer von nur 20 Jahren wäre der Gebäudeertragswert entsprechend nur 92.500€. Spiele diese Rechnung am besten mit dem Online-Rechner oben einmal selbst durch!
Schritt 11: Finaler Ertragswert
Nachdem wir nun den Wert des Gebäudes ermittelt haben, ist der letzte Schritt wieder einfach. Der Wert der gesamten Immobilie (Gebäude + Grund und Boden) nach dem Ertragswertverfahren ist einfach nur die Summe dieser beiden Positionen. Den Wert des Grund und Boden haben wir weiter oben schon ermittelt. Er betrug 140.000€. Der Wert der gesamten Immobilie aus diesem Beispiel nach dem Ertragswertverfahren beträgt somit 275.420€.
Ertragswert Gebäude | 135.420 € |
Wert Grund und Boden | 140.000 € |
Summe | 275.420 € |
Schritt 12: Gesamtrechnung mit allen Werten
Zur Übersichtlichkeit halber hier noch einmal die Gesamtrechnung mit allen Werten:
Daten zur Immobilie
Dies sind die Eckdaten der Immobilie die wir für diese Beispiel-Berechnung verwendet haben.
Wohnungsgröße | 70 qm |
Grundstücksanteil | 70 qm |
Bodenrichtwert | 2000 €/qm |
Restnutzungsdauer | 50 Jahre |
Verkehrswertermittlung nach dem Ertragswertverfahren
Hier findest du noch einmal kompakt alle wichtigen Schritte der Beispiel-Berechnung für die obige Immobilie mit dem Verkehrswertes den diese Immobilie nach dem Ertragswertverfahren hat.
Jahresrohertrag | 18.000 € |
Bewirtschaftungskosten | – 3.600 € |
Reinertrag | 14.400 € |
Liegenschaftszins (5% * 140.000€) | -7.000 € |
Gebäudereinertrag | 7.400 € |
Vervielfältiger | 18,3 |
Ertragswert Gebäude | 135.420 € |
Wert Grund und Boden | 140.000 € |
Summe | 275.420 € |
Ein kleines Quiz zum Abschluss…
So, jetzt kommt der Moment der Wahrheit: wie gut kennst du dich mit dem Ertragswertverfahren aus und kannst du es nutzen, um den Wert einer Immobilie zu berechnen?
Lass‘ es uns in einem kurzen Quiz mit 5 Fragen herausfinden!
Fazit
Ich hoffe, diese Beispielrechnung ist hilfreich für dich. Schaue dir gerne auch den Immoprentice 5 Sekunden Ertragswert-Rechner, oder das Immoprentice Ertragswertverfahren Excel an, wenn du selbst den Ertragswert deiner Immobilien berechnen möchtest.
Im Artikel „Was ist das Ertragswertverfahren und wie hilft es mir den Wert von Immobilien zu berechnen?“ kannst du auch noch weitere Hintergründe zum Ertragswertverfahren an sich nachlesen.
Die wichtigsten Eckpunkte zum Ertragswertverfahren findest du, in Kurzform, auch in dem folgenden 60-Sekunden Kurzvideo auf dem Immoprentice YouTube-Kanal: